Sonntag, 26. Juni 2016

Von Panikattacken & Verlade-Besserwissern





Puh, der Turniersprecher hat gerade auf Facebook ein Bild gepostet, dass in Odenthal die Sonne scheint. Gestern hat es ununterbrochen geregnet und so idyllisch der Gutshof ist, so gruselig ist der Parkplatz, weil der an einem steilen Hang liegt, der unten dann zum Abend hin in einem Matschloch endet. Wir haben auf der Hinfahrt überlegt an der Feuerwehr im nächsten Ort zu parken, aber da standen jetzt Wohncontainer, also todesmutig den Berg runter. Wobei mir beim Runterfahren gar keine Angst bewusst war, es lief alles wie am Schnürchen. Bis zu dem Moment, wo ich ausgestiegen bin: Auf einmal wurden mir die Knie weich, ich fing am ganzen Körper an zu zittern und mir wurde mit einem Mal kotzübel. Soll ich Euch sagen, was schlimmer ist als Angst? Es ist die Angst vor der Angst, die ja auch dafür gesorgt hat, dass ich fast ein Jahr lang mein Jungpferd kaum noch geritten bin (von unserem Neustart lest ihr hier). Bei all dem Chaos sind wir auf dem letzten Drücker zur Showmanship erschienen und eine Bekannte sagte uns noch, dass der Schweif noch eingeflochten war. Das Filmen hat dann bis auf wenige Sekunden auch nicht mehr geklappt und Janik ist um Haaresbreite an der Platzierung vorbei. Ich weiß nicht, ob ich leichenblass war: Jedenfalls schaute mich die Hofbesitzerin mit besorgten Blick an und (endlich ein Ansprechpartner) ich bin zu ihr hin und habe sie gefragt, ob mir irgendwer abends das Auto runterfahren kann. Sie und ein neben ihr stehender Mann sagten sofort "Ja" und mir kamen die Tränen ... peinlich. Als Janiks Siegerehrung in der Reining beendet war, standen die beiden sofort da und boten mir das Wegfahren des Autos an. Ich sag ja immer: EWU-Familie. Am Auto angekommen, fragte der Fahrer mich, ob ich als Beifahrerin mitfahren wollte, was ich entrüstet ablehnte. Denn es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist als in solchen Situationen selbst fahren zu müssen und die ist: Beifahrer sein. Sobald mein Gespann wie am Schnürchen den Hang runterrollte, entspannte ich mich und tat dann das, was ich immer tue: Filmen - am Samstag das Video oben und Sonntag das Video unten
Dank Facebook ist die Welt so klein geworden, dass mich mehr Leute kennen, als mir bewusst ist. Erstens sprach mich ein Mann an und sagte: "Fährt jetzt der Fahranfänger den Hang runter?" Der war aber nett und hat mir auch erklärt, dass man da gut runter kommt, wenn kein Pferd im Hänger ist und man im ersten Gang einfach rollen lässt: Bloß nicht bremsen. Vielleicht traue ich mich ja heute, aber bis heute abend ist der Hang wahrscheinlich eh trocken.


Soweit zu den Panikattacken: Wer die Geschichte von der Verladebesserwisserei lesen will, drückt auf:

Auf jedem Turnier ist irgendwo irgendwer, der sein Pferd nicht verladen bekommt und jedes Mal fragt man sich: "Soll ich Hilfe anbieten?" Es ist so ein zweischneidiges Schwert: Einerseits will man ja wirklich helfen, andererseits ist das ja so etwas von mies, wenn Hinz und Kunz es besser weiß und der Eine probiert die Methode und der Andere wieder eine andere: Das ist weder für Pferd noch Mensch hilfreich. Nach über einer Stunde hatte ich aber doch einen Impuls es wenigstens anzubieten, weil es ja beim letzten Mal auch auf Anhieb geklappt hatte. (hier nachzulesen). Am Liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen, als die Frau mich mit Namen ansprach und ablehnte rutschte mir erstmal das Herz in die Hose. Einerseits: Warum kennt sie meinen Namen und andererseits: "Hätte ich doch die Klappe gehalten." aber dann entbrannte ein Gespräch, mir wurde klar, dass die Leute, die auf Turnieren Hüte tragen, diese im wahren Leben gegen Käppis austauschen und dass wir uns in Dortmund auf der Pferd-Hund-Messe kennengelernt haben. Sie erzählte, dass das Pferd zuhause ganz toll in den Hänger geht und sie Heiner Nordberg als Horsemanship-Trainer haben, der ihnen genau die Methode gelehrt hat, die ich auch gerade zeigen wollte. Auf jeden Fall eine gute Wahl, wie ich finde, weil er ja einmal vor Urzeiten Parelli-Deutschland innehatte und auf jeden Fall einen guten Job macht. Das war, bevor Parelli das System der Horsenalitys entwickelt hat und so konnte ich dann doch noch ein bißchen Besserwisserei betreiben und von Horsenalitys erzählen. Obwohl man ja normalerweise keine Ferndiagnostik bei Pferden macht, die man nicht kennt, hatte ich nach fünf Minuten ein Bauchgefühl: "Vielleicht ist es ein Right Brain Introvert" (das ist eine der Horsenalitys nach Parelli, wozu es auch einen Themenmonat im Partnerblog gibt) und bei dieser Horsenality ist eigentlich alles anders.
Es gibt ja durchaus Pferde, die sich nicht bewegen wollen, schon gar nicht in Richtung Hänger, aber die RBIs können es wirklich nicht, weil sie regelrecht einfrieren und wenn dann jemand Druck macht, dann explodiert das Pferd. Ich finde es auch immer wieder faszinierend, dass die Besitzer es auch irgendwie spüren, was ihr Pferd braucht, denn das Pferd wurde erstmal in eine freie Box gepackt. Wir trafen uns dann im Durchgang (Foto ganz oben) später nochmal und sie hat mir ein bißchen aus dem Leben des Pferdes erzählt und es scheint eine ziemlich harte Ausbildung genossen zu haben. Obwohl das Pferd, als ich es am Hänger gesehen hatte, durchaus selbstbewusste Zeichen wie Ohrenspiel und blinzelnde Augen gezeigt hat, so hat mir da schon mein Bauch irgendwie gesagt, dass das nur eine Seite seiner Persönlichkeit ist. Und als die Besitzerin mir dann erzählte, dass bei dem Pferd mal regelrecht die Augen zugehen oder wegkippen und ein Verhalten erscheint, als wolle das Pferd sagen: "Wenn ich hier ganz, ganz still stehe, passiert mir nichts.", da war es schon klar, da ist RBI drin und diese Right-Brain Introverts (Right Brain - rechte Gehirnhälfte für Emotionen / Introvert - bewegt sich ungern) zeigen sich oft in allen Horsenality, so als wollten sie sich tarnen. Obwohl ich zuvor auch den Tipp gegeben hatte, dass nach Parelli Rückwärts Steigen kuriert, habe ich dann noch gesagt: "Aber wenn es ein RBI ist,  dann müsst ihr ihm beim Verladen alle Zeit der Welt geben ..." und am Ende des Turniers kam dann die Tochter der Pferdebesitzerin noch an uns vorbei gelaufen und erzählte, dass es geklappt hat, nachdem das Pferd in der Box erst einmal zu sich kommen konnte, den Turniertag verkraften und dann mit Futter und ohne Druck hat es dann doch geklappt.
Schlusswort: Futter ist übrigens immer eine gute Wahl, aber nicht locken, sondern bei jedem Verladen einfach vorne Kraftfutter in die Hängerkrippe geben, auch zuhause, wo es klappt. Wir haben einmal bei einem Wochenendkurs bei einer Instruktorin die Pferde immer in der Mittagspause verladen, so dass die Pferde den Hänger als angenehmen Ort empfinden, wo sie ihr Heunetz mümmeln können, ohne dass der Hänger fährt ....

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