Sonntag, 19. Juni 2016

Von Kritiksucht und Lagerdenken (Gastbeitrag)

Der Blick über den Tellerrand oder was wir von anderen Reitweisen lernen können, wenn wir unseren eigenen Mikrokosmos mit begrenztem Horizont mal verlassen und uns für das öffnen, was andere nicht nur anders, sondern vielleicht besser machen.
Wir kennen das hier alle - ein gepostetes Bild, ein Video und schon beginnt die Fehlerguckerei und die Kritik an dem, was der oder die Gezeigte falsch macht. Dann steht nicht mehr im.Mittelpunkt, was gut war oder harmonisch, sondern was schlecht oder falsch ist. 1.2.3 - die Schubladen gehen auf, es wird kategorisiert und pauschalisieren, was nicht nur konkret der andere falsch macht. Das Lagerdenken setzt ein.


Englischreiter an sich Rollen ihr Pferd auf, arbeiten permanent mit Druck und foltern ihre Tiere mit schrecklichen Zubehör und überhaupt, die Turnirreiter unter ihnen sind garantiert böse, weil man ja weiß, dass Englischreiter an sich und Turnierreiter als solche Koppeln und artgerechte Haltung per se ablehnen. Uta Gräf, Ingrid Klimke? Wer kennt die schon...
Im anderen Lager befinden sich die Westernreiter, die (glaubt man den Vertretern des ersten Lagers) vor allem deshalb in den Westernsattel gestiegen sind, weil sie 1. Den Schwung des Warmblöds nicht sitzen können, 2. Der Hintern der Reiterinnen nicht nicht mehr in die 17" Sitzprothese passt, 3.."ihm" Dressurreiten nicht männlich genug ist und das Image in den Sonnenuntergang reitenden Cowboys viel maskuliner ist... Ach ja, mit 50cm langen Anzügen und Sternsporen" lässt es sich auch viel feiner reiten...
Natürlich läuft der Gaul schwunglos auf der Vorhand und wird als Kind schon zur Schwerstarbeit verdonnert...
Die Gangpferde- und "Freizeit"-Reiter lasse ich mal bewusst außen vor - die Klischees sind bekannt.
Warum pauschalisieren wir so gerne und warum stecken wir so gerne in Schubladen?
Vermutlich, weil uns das Sicherheit gibt. Irgendwie ist das quasi religiös und erklärt, warum so viele, viele auf Gurus stehen. Wir wollen Heilsversprechen, weil wir uns dadurch Sicherheit erhoffen, wir grenzen uns bewusst von den anderen ab, weil uns das irgendwie glauben lässt, auf der "richtigen" Seite zu stehen.
Vermutlich dürfte das alles unseren Vierbeinern egal sein, sofern wir sie entsprechend fair und ihrer Veranlagung und ihren Bedürfnissen entsprechend halten und reiten.
Ist euch schon schon mal aufgefallen, dass die wahren Profis all das nicht tun?.Wer richtig was kann, hat es in der Regel gar nicht nötig, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sie "klein" zu machen, um selbst besser da zu stehen.
Ich selbst hasse Schubladen und Lagerdenken. Dafür, dass ich schon so lange reite und so viele viele verschiedene Pferde unter dem Sattel hatte, "kann" ich zu wenig, aber immerhin kenne ich meine Schwächen, und zwar sehr gut. Da ich mich im Westernsattel nicht so wohl fühle wie in englischen und ich es gerne "vielseitig" auf leichten Blut geprägten Pferden mag, ordne ich mich mal der "englischen" Seite zu.
Was ich aber schon sehr lange mache ist, mir anzuschauen, was andere so achten und wie ich für mich daraus profitieren kann. So habe ich bereits in en 90ern Kurse in der Bodenarbeit belegt und mir mein erstes Knotenhalfter und Rope zugelegt, Kurse nach Rolf Becher und Linda Tellington Jones besucht etc.pp.
Was ich von Trainern der amerikanischen Reiterei bzw. Pferde zu arbeiten gelernt gelernt habe...
... dass ich grundlegend mehr auf die Kommunikation und Ausbildung am Boden achte, und zwar bei allen Pferden.
... dass ich Ich mein Pferd nicht dauerhaft treiben und parieren möchte, sondern auch beim "Dressurreiten" Impulse das Pferd feiner machen. (Schaut Uta Gräf an und vergleicht vergleichbare Reiterei mit der vieler Kollegen)
... dass Pylonen, Plänen und andere "Hindernisse" aus Trailparcouren alle Pferde gelassener und rittiger machen.
Meine beste Stunde Stunde mit Sitzübungen hatte ich übrigens bei bei einer Western Trainerin.
Ich bin mir völlig sicher, dass irgendjemand bei genauerem Hinsehen mehr Verbindendes als Trennendes finden, dass das aber das eine oder andere finden, dass die "Gegenseite" macht (vielleicht sogar besser), wovon wir profitieren können.
Es würde mich freuen, von euch das eine oder andere zu lesen.

ein Gastbeitrag von Jaqueline Gorman -  Bild: absoluter Seltenheitswert: Jaqueline im Westernsattel

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