L E S E R B R I E F zum Artikel „350 Corona-Rebellen in NRW“ vom 13.11.20
Es wird der Eindruck erweckt, als wären vordringlich Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Rechtsextremisten auf den Corona-Demos. Ich frage mich, woher die Rheinische Post das wissen will und ob sie je vor Ort war. Wäre sie vor Ort gewesen, hätte sie mitbekommen, dass sich die Versammlungsleiter regelmäßig zu Beginn der Veranstaltung von JEGLICHEM Extremismus distanzieren. Ein Blick in die Menge zeigt Leute mit Luftballons, die Plakate tragen, die Frieden, Freiheit und Liebe fordern. Sehen so Rechtsextremisten aus? Es sind per Definition auch keine Demos gegen die Corona-Maßnahmen, sondern vordergründig wird der Erhalt der Grundrechte gefordert. Dass im Artikel nun unterstellt wird, dass ausgerechnet durch die Demos die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährdet werde, ist absurd. Bei der Demo am 1.8. in Berlin hat der Verfassungsschutz etwas völlig Anderes festgestellt als uns die Rheinische Post hier glauben machen will: Nämlich, dass Rechtsextreme keinen prägenden Einfluss auf die Querdenken-Demos hatten. Das berichtet u.a. die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 8.8.2020.Der Beitrag der Rheinischen Post ist tendenziös und einseitig. Die gebotene journalistische Ausgewogenheit ist nicht erkennbar: Es wird ausschließlich eine Seite gehört – nämlich der Verfassungsschutz NRW (in der Hoffnung, dass dieser nicht sinnentfremdend zitiert wurde). Die Querdenker kommen im Artikel nicht zu Wort. Das ist ein erheblicher Verstoß gegen den journalistischen Grundsatz der Ausgewogenheit. Festzustellen sind auch mehrere Verstöße gegen die ethischen Grundsätze, dem Pressekodex. Zu nennen ist vor allem die Sorgfaltspflicht (Ziffer 2): Diese journalistische Sorgfalt wäre nur dann gegeben, wenn sich ein Reporter eine solche Demo mit eigenen Augen ansieht, um festzustellen, dass nur sehr vereinzelt Reichsflaggen zu sehen waren statt ungeprüft das zu übernehmen, was Presseagenturen schreiben. Mittlerweile sind solche Flaggen gemäß vieler Demoplakate verbannt. Auch das hätte in dem Artikel erwähnt werden müssen. Den Rückschluss, dass Träger von Reichsflaggen rechtsextrem sind, ist einfach nur schlecht recherchiert, denn die Reichsflagge war im 3. Reich verboten. Auch der Bezug zu den Reichsbürgern steht auf wackeligen Füßen, denn eigentlich wollen die Träger dieser Flaggen in der Regel nur darauf hinweisen, dass wir keinen Friedensvertrag haben. Sie fordern auch eine verfassunggebende Versammlung, wie sie derzeit in Chile stattfindet. Das verfassungswidrig zu nennen ist abwegig, denn eine solche verfassunggebende Versammlung wird vom Grundgesetz explizit gefordert und zwar in Artikel 146. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass diese bereits unmittelbar nach der Wiedervereinigung hätte stattfinden müssen. Der 4+2 Vertrag ersetzt diese keineswegs. Auch wenn es wirklich stimmen sollte, dass Rechtsextreme dazu auffordern, sich den großen Demos anzuschließen, so sind sie in den Demos nicht sichtbar. Sie halten keine Reden, sie tragen keine Kleidung oder keine Plakate, die sie erkennbar machen: Wahrscheinlich folgen sie diesem Aufruf gar nicht, denn keiner der Teilnehmer sieht auch nur einen Rechtsextremen. Aber alleine über das, was nicht sichtbar ist, berichtet die Rheinische Post. Das ist so ähnlich wie bei der Querdenker-Demo am 29.8. wo nicht darüber berichtet wurde, dass Robert F. Kennedy junior vor Hunderttausenden Menschen sprach, die Regenbogen-Flaggen und Luftballons trugen. Die Reichsflaggen sah man nur am Reichstag und da hat sich ja heraus gestellt, dass diese separate Demo, die hunderte Meter von der Querdenken-Demo entfernt war, von der Polizei inszeniert war, die sogar Kamerateams auf den Dächern positioniert hatte. Ähnlich in Leipzig: Dort lieferte sich die vom Staat bezahlte Antifa Gefechte mit der Polizei in einem völlig anderen Stadtteil und diese Gewalt wurde dann den Querdenkern von der Presse untergeschoben. Bei dieser Art von Berichterstattung schäme ich mich meines eigenen Berufsstandes.
Nicola Steiner, Diplom-Medienwirtin & gelernte Redakteurin
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